Manipulation, Propaganda & Bewusstseinbeeinflussung
Dialektik
Eristische Dialektik (48)
Kunstgriffe 30–34
30. Berufung auf Autoritäten
Anstatt Sachgründen werden Positionen von Experten angeführt, die der Gegner wegen ihrer Autorität nicht anzuzweifeln wagt (argumentum ad verecundiam). Dafür ist es irrelevant, ob die Behauptung der Autorität in einem anderen Kontext getroffen wurde, dem Gegner unverständlich bleiben muss oder bloß selbst erfunden wurde, solange der Gegner sich selbst für weniger kompetent als die Autorität hält und sich mit ihr nicht gut genug auskennt, um ein fiktives oder umgedeutetes Zitat als solches zu erkennen. Der Experte kann in bestimmten Kontexten auch durch die öffentliche Meinung, populäre Irrtümer und Vorurteile vertreten werden; solange der Gegner nicht über die Mittel zu ihrer Aufklärung verfügt, wird er davor zurückscheuen, ihnen zu widersprechen.70 / 70 / 81Eristische Dialektik (49)
Weiterlesen...31. Unverständnis äußern, Unverständlichkeit behaupten
Gegen die Argumente des Gegners wird vorgebracht, dass man ihre Wahrheit nicht einsehen könne, weil man sie nicht versteht. Das weckt bei den Zuhörern, die den Streitenden für eine Autorität halten, den Eindruck, es sei unsinnig. Es handelt sich also um einen Sonderfall der Berufung auf eine Autorität (nämlich die eigene, Kunstgriff 30) und einem argumentum ad auditores. Dazu empfiehlt Schopenhauer folgendes Gegenstrategem (als Anwendung von Kunstgriff 21): Äußert der Gegner Unverständnis für eine Behauptung, so wird als Entschuldigung vorgebracht, dass es der Sache nach für den Gegner ein Leichtes sein müsste, die Behauptung einzusehen, sodass sein Unverständnis nur auf der unklaren Darstellung beruht.71 / 71 / 81Eristische Dialektik (50)
Weiterlesen...32. Widerlegung durch Rekursion
Die Behauptung des Gegners wird zurückgewiesen und für unplausibel erklärt, indem auf ihre Verwandtschaft zu einer bereits zurückgewiesenen Behauptung verwiesen wird.72 / 72 / 81Eristische Dialektik (51)
Weiterlesen...33. Anwendbarkeit leugnen
Nach der Maxime „Das mag in der Theorie richtig sein, in der Praxis ist es jedoch falsch“ werden die Gründe einer Behauptung anerkannt, ihre Folgen jedoch unter Verweis auf nicht spezifizierbare Zusatzbedingungen der Praxis zurückgewiesen.73 / 73 / 81Eristische Dialektik (52)
Weiterlesen...34. Einkreisen
Ausweichendes Verhalten des Gegners wird durch Nachfragen und Bitten um Behauptungen zu verwandten Punkten beantwortet. So wird klargestellt, wo der Gegner Probleme mit seinen eigenen Argumenten hat.74 / 74 / 81Eristische Dialektik (53)
Weiterlesen...Kunstgriffe 35–38
Die Kunstgriffe 35–38 dienen unmittelbar der Beendigung eines Disputs.
35. Argumentum ab utili
An Stelle von sachlichen Gründen wird an die Motive und Interessen des Gegners und der Zuhörer appelliert. Es muss plausibel gemacht werden, dass das, was der Gegner behauptet, seinen eigenen Interessen widerspräche, um ihn dazu zu bringen, diese zu widerrufen.75 / 75 / 81Eristische Dialektik (54)
Weiterlesen...36. Simuliertes Argument
Wenn der Gegner es gewohnt ist, nicht alles sofort zu verstehen, wird er mit einem simulierten Argument aus sinnlosen, aber kompliziert klingenden Phrasen überrollt. Schopenhauer nennt dazu Goethes Maxime: „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ Fürchtet der Gegner, unverständig zu erscheinen, so widerspricht er nicht und der Disput ist gewonnen.76 / 76 / 81Eristische Dialektik (55)
Weiterlesen...37. Behauptung mit dem Beweis widerlegen
Wenn der Gegner in der Sache recht hat, aber einen schlechten Beweis wählt, dann widerlegt man den Beweis und gibt dies als Widerlegung der Sache aus. Es wird ein Argumentum ad hominem zu einem Argumentum ad rem erklärt.
Schopenhauer rät, diesen Kunstgriff möglichst früh anzuwenden, denn falls der Gegner für seine Behauptung keinen besseren Beweis liefern kann, gilt diese als widerlegt.77 / 77 / 81Eristische Dialektik (55)
Weiterlesen...38. Ad personam
Das Argumentum ad personam ist ein Ausweg, wenn der Gegner zu gewinnen scheint. Es wird vom Gegenstand des Streits abgewichen und die Person des Gegners verbal angegriffen. Im Unterschied zu einem Argumentum ad hominem, bei dem statt des Gegenstands der Behauptungen die Behauptungen über den Gegenstand argumentativ behandelt werden, wird hier der Gegner selbst beleidigt, um ihn zum Nachgeben zu zwingen. Schopenhauer warnt jedoch: „Das Problem ist hier allerdings, welche Maßnahmen dem Gegner hier zur Verfügung stehen. Denn will dieser mit gleicher Münze zurückzahlen, wird schnell eine Prügelei, ein Duell oder ein Beleidigungsprozess daraus.“78 / 78 / 81Eristische Dialektik (56)
Weiterlesen...Gegenmaßnahmen: Schopenhauer rät dazu, ruhig zu bleiben und auf Sachargumenten zu bestehen. Dennoch gesteht er ein, dass es nicht ausreicht, selbst höflich zu bleiben, da selbst eine Widerlegung ad rem oft als Kränkung der Eitelkeit verstanden wird und so ein ad personam des Gegners nach sich zieht. Einzige Gegenmaßnahme ist, sich unberührt zu zeigen und klarzustellen, dass die Beleidigung nicht Thema des Streites ist.
79 / 79 / 81