Herrschafts- und Regierungssysteme
Vetternwirtschaft & Lobbyismus
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Lobbyismus (11)
Weiterlesen...Personal- und Ressourcenumfang
Demnach stellten im offiziellen Beratungsgremium der EU-Kommission Mitte der 2010er Jahre Banken die überwältigende Mehrheit der Mitglieder. So sollen beispielsweise die Deutsche Bank wie auch die Commerzbank jeweils Vertreter nach Brüssel schicken. Verbraucherschützer gibt es jedoch nur zwei, Gewerkschafter nur einen in dem vierzigköpfigen Gremium. Abgeordnete im Europaparlament baten 2010 aus diesem Anlass bereits die „Zivilgesellschaft“ um Hilfe.Lobbyismus (12)
Weiterlesen...Die Finanzwirtschaft stellte 2017 rund 1700 Lobbyisten in Brüssel, was umgerechnet vier Interessenvertretern pro EU-Beamten entspricht, die mit Finanzthemen beschäftigt waren. Die dadurch entstehenden Kosten für Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter beliefen sich auf rund 120 Millionen Euro pro Jahr. Das war 30 mal so viel, wie in Brüssel allen Gewerkschaften, Verbraucher- und Umweltorganisationen zusammen für ihre Lobbyarbeit zu diesem Thema zur Verfügung stand.
Lobbyismus (13)
Weiterlesen...In Berlin arbeiten ca. 1.500 Lobbyisten für insgesamt 295 Unternehmen und Verbände aus der Finanzbranche bei einem Gesamtmindestbudget von 200 Millionen Euro pro Jahr. Davon entfallen allein fast 62 Millionen auf den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Zu 33 Gesetzesentwürfen, die zwischen 2014 und 2020 noch innerhalb der Ministerien erarbeitet wurden, wurden bereits zu diesem Zeitpunkt 335 einzelne Stellungnahmen aus der Finanzlobby abgegeben. Auf diese Weise gelangen Formulierungsvorschläge aus den Stellungnahmen schon in Gesetzentwürfe, bevor diese im Bundestag beraten werden.
Vetternwirtschaft (1)
Weiterlesen...Vetternwirtschaft oder Nepotismus bezeichnet eine übermäßige Vorteilsbeschaffung durch und für Familienangehörige oder andere Verwandte (oder enge Freunde). Beispiele für diese Bevorzugung sind die Gewährung von ungewöhnlich günstigen Vertragskonditionen untereinander oder die Unterlassung notwendiger Prüfungen bei Verwandten zu Lasten einer Institution oder eines Unternehmens, in denen ein Familienmitglied eine leitende Position innehat. Auch Schiebung kann eine Form der Vetternwirtschaft sein. Selten gebraucht wird die weibliche Form Cousinenwirtschaft als Bevorzugung von weiblichen Verwandten und Freundinnen bei Stellenbesetzungen, Auftragsvergaben und Ähnlichem ohne Bezug zur fachlichen Eignung.
Vetternwirtschaft (2)
Weiterlesen...In schwäbischen Mundarten ist die Bezeichnung Vetterleswirtschaft üblich, in alemannischen Mundarten Vetterliwirtschaft. Bei einer Günstlingswirtschaft sind keine Familienangehörigen, sondern andere Personen die Nutznießer des verschafften Vorteils (vergleiche Klientelpolitik). Im bairischen Sprachraum heißt es ungeachtet einer familiären Verbandelung Spezlwirtschaft (Spezi, Spezl: „Freund“), in Österreich Freunderlwirtschaft oder Filz, im Rheinland bekannt als Klüngel.
Vetternwirtschaft (3)
Weiterlesen...Wortherkunft
Die Bezeichnung „Vetternwirtschaft“ (von „Vetter“, zur Bedeutung und Wortherkunft siehe dort) kam erst im 20. Jahrhundert auf und wird zur Jahrtausendwende häufiger verwendet als „Nepotismus“.
Das Wort „Nepotismus“ ist abgeleitet vom lateinischen nepōs („Enkel, Urenkel, Neffe, Nachkomme“). Vergleichbare Bezeichnungen bestehen bereits im Altindischen (nápāt „Abkömmling, Enkel, Sohn“) und im Altgriechischen (anepsiós „Geschwisterkind; Geschwistersohn, Neffe“). Nepos war zum einen die konkrete Bezeichnung für einen Neffen (oder Enkel), zum anderen die Bezeichnung für Nachkommen im Allgemeinen. Im mittelalterlichen Latein bezeichnet Nepos dann übergreifend jeden Verwandten, ohne dass auf den Verwandtschaftsgrad zurückgeschlossen werden könnte.Vetternwirtschaft (4)
Weiterlesen...Geschichte
Vetternwirtschaft gab und gibt es in und zwischen Herrscherhäusern. Innerhalb des europäischen Hochadels gab es stets Verwandtschaften über Staatsgrenzen hinweg, teilweise zustande gekommen durch Vernunftehen oder arrangierte Heiraten. Diese Verwandtschaften beeinflussten auch das Entstehen und Vergehen von Allianzen, Bündnissen und Koalitionen.Vetternwirtschaft (5)
Weiterlesen...Beispiele
Als Vetternwirtschaft wurde gesehen, dass der US-Präsident John F. Kennedy seinen Bruder Robert F. Kennedy 1960 als Justizminister in sein Kabinett aufnahm.
US-Präsident Donald Trump ernannte 2016 seine Tochter Ivanka Trump zur Beraterin im Weißen Haus sowie seinen Schwiegersohn Jared Kushner zum Chefberater (senior advisor) mit einer Reihe von Sonderfunktionen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ernannte 2016 seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Finanzminister.
Der österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ernannte 2018 seine damalige Ehefrau Philippa Strache zur Tierschutzbeauftragten seiner Partei.Vetternwirtschaft (6)
Weiterlesen...Die wechselseitige Blockade von ÖVP und Grünen bei der Besetzung der Leitungen von BWB und BVwG in Österreich 2023.
Arianna Meloni, Beraterin von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, übernahm im August 2023 das politische Sekretariat der Regierungspartei Fratelli d’Italia (Geschwister Italiens). „Arianna Meloni ist zudem mit dem Spitzenpolitiker und Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, ebenso Mitglied der Fratelli d’Italia, verheiratet.“
Im Herbst 2023 hat Simbabwes Präsident Emmerson Mnangagwa zwei wichtige Ministerposten mit seinem Sohn, Kudakwashe David Mnangagwa (stellvertretender Finanzminister) und seinem Neffen, Tongai Mnangagwa (Vizetourismusminister) besetzt. Die Opposition (Citizens Coalition for Change) weise das Ergebnis der Präsidentenwahl vom August 2023 zurück.
Im April 2024 verzichtete der deutsche Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU) nach Vorwürfen der Günstlingswirtschaft gegen Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) auf den Posten des Mittelstandsbeauftragten. Die Stelle in der Besoldungsstufe AD15 der EU entspricht einem Monatsgehalt von mehr als 18.000 Euro.Vetternwirtschaft (7)
Weiterlesen...Bedeutungsähnlichkeiten
Ämterpatronage: ungerechtfertigte Bevorzugung von Bewerbern bei der Besetzung von Ämtern und Positionen, vor allem im Öffentlichen Dienst oder Wissenschaftsbetrieb
Seilschaft: informelle Gruppierungen von Personen, die ihr berufliches oder anderweitiges Vorankommen gegenseitig fördern
Klientelismus: ein System ungleicher Abhängigkeitsbeziehungen in politischen Apparaten
Kamarilla: Günstlingspartei, die ohne Befugnis und Verantwortung Einfluss auf die Entscheidungen eines Herrschers ausübt
legacy preference: Bevorzugung der Kinder von Ehemaligen (Alumni) als offizielles Auswahlkriterium für Studienbewerber an US-amerikanischen Universitäten (insbesondere der Ivy League)
cuñadísimo (spanisch, etwa „größter aller Schwäger“): privilegierte Stellung eines Schwagers; die Bezeichnung ist abgeleitet vom Titel el Generalísimo (etwa „größter aller Generäle“), mit dem sich der spanische Diktator General Francisco Franco ansprechen ließ und der als umgangssprachliche Bezeichnung ins Spanische einging, als Franco begann, seinen (Schwipp-)Schwager Ramón Serrano Súñer an sämtlichen Entscheidungen zu beteiligen und ihn gegenüber Royalisten und anderen Faschisten zu bevorzugen.
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