Herrschafts- und Regierungssysteme
Tyrannei
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Tyrannei (1)
Weiterlesen...Als Tyrannei bezeichnet man in stark abwertendem Sinn eine als illegitim betrachtete Gewalt- und Willkürherrschaft eines Machthabers oder einer Gruppe. Der Begriff knüpft an die antike Tyrannis an, die durch gewaltsamen Umsturz der Staatsordnung erlangte Herrschaft eines einzelnen Machthabers in einer Polis der griechischsprachigen Staatenwelt im Zeitraum vom 7. bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. In der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird Tyrannei als Unterdrückung unter Abwesenheit der Herrschaft des Rechts bezeichnet, gegen die Menschen das Recht zum Aufstand haben.
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Weiterlesen...Heute nennt man Herrschaftsformen mit brutalen Alleinherrschern an der Spitze eine Tyrannei; die Bedeutung geht dabei in Richtung Gewaltherrschaft, also einer Diktatur, von der zum Beispiel der spätere amerikanische Präsident James Madison 1787/88 in den Federalist Papers (Nummer 47) schrieb: „Die Ansammlung von jeglicher Gewalt, der Legislative, Exekutive und der Judikative, in den gleichen Händen, ob eines Einzelnen, ein paar Weniger oder von Vielen, und ob erblich, selbst ernannt oder gewählt, kann mit Recht als die genaue Definition von Tyrannei erklärt werden.“
Ausgehend von dieser Begriffsentwicklung versteht man heute im übertragenen Sinn unter Tyrann einen herrschsüchtigen oder strengen Menschen (z. B. Familientyrann).1 / 1 / 20Tyrannis (1)
Weiterlesen...Als Tyrannis (altgriechisch „Herrschaft eines Tyrannen, unumschränkte, willkürliche Herrschaft, Gewaltherrschaft“) bezeichnet man eine Herrschaftsform der griechischen Antike, die im 7. Jahrhundert v. Chr. aufkam und bis in die Zeit des Hellenismus in griechisch besiedelten Regionen des Mittelmeerraums verbreitet war.
Ihr Merkmal ist die weitgehend unumschränkte Alleinherrschaft (Monokratie) eines Machthabers, des „Tyrannen“, über einen Stadtstaat (Polis), teils außerdem auch über ein größeres Territorium.2 / 2 / 20Tyrannis (2)
Weiterlesen...Da eine Monokratie in den meisten Polisverfassungen nicht vorgesehen war, war die Grundlage einer Tyrannis der faktische, meist auf Gewalt beruhende Machtbesitz, den in manchen Fällen die Volksversammlung gebilligt hatte. Zu beachten ist, dass natürlich jeder Tyrann Unterstützer hatte, auch wenn diese in den Quellen oft nicht erwähnt werden. Viele durch einen Staatsstreich bzw. im Zuge einer Stasis an die Macht gekommene Gewaltherrscher wollten eine Dynastie gründen, doch scheiterte die Vererbung der Führungsstellung oft schon in der Generation ihrer Söhne.
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Weiterlesen...Traditionell unterscheidet man in der Altertumswissenschaft die „ältere Tyrannis“ der Zeit vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis zum Jahr 461 v. Chr. und die „jüngere Tyrannis“, die im ausgehenden 5. Jahrhundert außerhalb des griechischen Kernlandes entstand und noch im Zeitalter des Hellenismus praktiziert wurde.
Bei den Römern dominierte seit der gewaltsamen Beseitigung des römischen Königtums eine sehr negative Bewertung der Monarchie. Als der Einfluss der griechischen Kultur zunahm, verband sich in gebildeten Kreisen die traditionelle antimonarchische Gesinnung der römischen Republikaner mit der griechischen Tyranniskritik.4 / 4 / 20Tyrannis (4)
Weiterlesen...Mittelalterliche und frühneuzeitliche Rezeption
Die Etymologiae wurden zu einem der wichtigsten Handbücher des Mittelalters. So erhielt der moralische Tyrannenbegriff starke Verbreitung. Papst Gregor der Große schrieb im späten 6. Jahrhundert: „Im eigentlichen Sinn wird nämlich derjenige Tyrann genannt, der im Gemeinwesen unter Missachtung des Rechts (non iure) Herrschaft ausübt.“ Dieser Satz wurde im Mittelalter oft zitiert.5 / 5 / 20Tyrannis (5)
Weiterlesen...Die Problematik des Widerstands
Über die Frage, wie mit einer bestehenden Gewaltherrschaft umzugehen sei, gingen im Spätmittelalter die Meinungen weit auseinander. Eine gemäßigte Position vertrat Thomas von Aquin, der zum Widerstandsrecht zurückhaltend Stellung bezog. Er unterschied zwischen berechtigtem Widerstand gegen einen Tyrannen und unzulässigem Aufruhr. Dabei machte er geltend, der Tyrann nähre Zwist im Volk und sei somit selbst der Aufrührer. Daher dürfe man gegen ihn vorgehen, doch müsse man dabei darauf achten, keinen größeren Schaden zu verursachen als den, der sich bei Bewahrung des Status quo ergebe. Ein fehlgeschlagener Versuch, den Tyrannen zu entmachten, verschlimmere nur das Los der Untertanen. Thomas empfahl, eine „milde“ Tyrannis zu tolerieren; erst wenn das Ausmaß der Repression unerträglich werde, seien Maßnahmen dagegen zu ergreifen.6 / 6 / 20Tyrannis (6)
Weiterlesen...Neue Aktualität erhielt der Konflikt um das Widerstandsrecht im frühen 15. Jahrhundert durch die publizistische Auseinandersetzung um den politischen Mord an Herzog Ludwig von Orléans. Dieser war im Jahr 1407 auf Anstiften seines Vetters und Rivalen, des Herzogs Johann Ohnefurcht von Burgund, in Paris ermordet worden. Bei der Pariser Bevölkerung, die Ludwig als Tyrannen betrachtete, war die Tat populär, man sah darin einen Befreiungsakt.
Einen Tyrannen dürfe jeder aus eigenem Antrieb töten, ohne Auftrag einer höheren Instanz, und das sei eine verdienstliche Tat. Zur Untermauerung seiner Thesen zitierte der Redner Aristoteles, Cicero, Johannes von Salisbury und Thomas von Aquin. Seine Darlegungen wurden von der burgundischen Seite als publizistischer Text verbreitet.7 / 7 / 20Tyrannis (7)
Weiterlesen...Eifrig diskutiert wurden im Spätmittelalter und in der Frührenaissance die Fragen, ob Caesar ein Tyrann gewesen sei und ob man seine Mörder Cassius und Brutus als verdienstvolle Freiheitshelden oder als verachtenswerte Verräter zu betrachten habe. Thomas von Aquin befand, Cicero habe den Mord mit Recht gebilligt, denn Caesar sei ein Usurpator gewesen.
Auch Humanisten wie Giovanni Boccaccio und Poggio Bracciolini schlossen sich der Sichtweise der caesarfeindlichen Tradition an.8 / 8 / 20Tyrannis (8)
Weiterlesen...Aus dieser Perspektive erschienen Cassius und Brutus als gutwillige Patrioten. Verbreitet war aber auch die Meinung, ihre Tat sei ein schändlicher Verrat an einem Herrscher, dem die göttliche Vorsehung die Regierung anvertraut habe. Dieser Bewertung verschaffte Dante Auftrieb, indem er in seiner Commedia die beiden Caesarmörder zusammen mit Judas Iskariot als Verräter in den untersten Bereich der Hölle versetzte.
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