Herrschafts- und Regierungssysteme
Patriarchat, Matrirachat & Kyriarchat
Patriarchat (21)
Weiterlesen...Ute Gerhard sieht die Stärken des Konzepts Patriarchat in seinem herrschaftsanalytischen und -kritischen Gehalt. Feministische Theorie brauche einen eigenständigen Begriff, um das Geschlechterverhältnis als Herrschaftsverhältnis zu beschreiben. Diese Annahme wurde insbesondere von Judith Butler kritisiert:
20 / 20 / 57Patriarchat (22)
Weiterlesen...Mit Hilfe des analytischen Konzepts Patriarchat hat es die britische Soziologin Sylvia Walby unternommen, die Benachteiligung von Frauen in allen zentralen Lebensbereichen in einer systematischen und zusammenfassenden Weise zu erklären und als empirische Realität in Geschichte und Gegenwart nachzuweisen. Um dem Begriff Patriarchat seine universalistischen und ahistorischen Tendenzen zu nehmen, kategorisierte sie sechs Strukturen, die aus ihrer Sicht durch die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen durch Männer bestimmt sind und von denen Frauen auf unterschiedliche Weise betroffen sein können: Beschäftigungssystem, Reproduktionsarbeit, Sexualität, Kultur, Gewalt und die staatliche Regelung von Geschlechterbeziehungen. Eva Cyba und die Politikwissenschaftlerin Marion Löffler kritisierten, dass der Kategorisierung die Annahme einer überwiegend passiven Rolle von Frauen zugrunde liege.
21 / 21 / 57Patriarchat (23)
Weiterlesen...Seit Mitte der 1980er Jahre findet im feministischen Diskurs und in der Gesellschafts- und Geschlechterforschung eine Auseinandersetzung um das Theorem Patriarchat statt. Kritisiert wird, dass der Begriff nicht geeignet sei, die historischen und kulturübergreifenden Formen der Nachrangigkeit von Frauen angemessen zu erfassen, weil er häufig undifferenziert und ahistorisch verwendet werde.
22 / 22 / 57Patriarchat (24)
Weiterlesen...Die Soziologin Eva Cyba argumentiert, dass dem Konzept Patriarchat ein grundlegender Mangel anhafte, da es die Aufmerksamkeit zu einseitig auf die Rolle von Männern und die von ihnen dominierten Strukturen lenke und es Konstellationen gebe, die von niemandem beabsichtigt, sondern „aufgrund ihrer Trägheit als selbstverständliche Tradition reproduziert werden.“ Eine Erklärung, wie es zur Reproduktion von Tradition kommt, lieferte bereits Max Weber. Darauf weist Heike Kahlert hin. So ermögliche Webers handlungstheoretische Sichtweise, die Aufmerksamkeit auch auf die Veränderbarkeit der Geschlechterverhältnisse zu lenken.
23 / 23 / 57Patriarchat (25)
Weiterlesen...Um die konkreten historischen und gegenwärtigen Ursachen und Wirkungsweisen von Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen zu analysieren und zu erklären, müssen, so Cyba und Walby, zum Konzept Patriarchat weitere Spezifizierungen hinzukommen, beispielsweise die Verschränkung von patriarchalen Strukturen mit der (kapitalistischen) Wirtschaftsweise sowie die Rolle des Staates. Die Auseinandersetzung um den Patriarchatsbegriff verweise nach Heike Kahlert darauf, dass eine differenzierte Theorie geschlechtlicher Herrschaft in Vergangenheit und Gegenwart fehle. Auch die Soziologin Gudrun-Axeli Knapp plädiert dafür, an Stelle eines undifferenzierten Patriarchatsbegriffes die Debatte um die Theoretisierung von Macht und Herrschaft im Geschlechterverhältnis wieder aufzunehmen.
24 / 24 / 57Matriarchat
Weiterlesen...Als Matriarchat wird in matriarchatstheoretischen und weiteren Publikationen ein Gesellschaftstyp bezeichnet, in dem alle sozialen und rechtlichen Beziehungen über die Abstammung der mütterlichen Linie organisiert sind, in dem die religiösen Vorstellungen auf eine Ahnfrau oder Große Göttin zurückgeführt werden und in dem Frauen eine zentrale Rolle in Gesellschaft und Religion einnehmen. Es wird dabei oft nicht unterschieden, ob die zentrale Stellung den Müttern oder den Frauen allgemein zugeschrieben wird. Auch eine hypothetische Gesellschaftsordnung,
25 / 25 / 57Matriarchat (2)
Weiterlesen...Im populären Sprachgebrauch der Gegenwart wird unter Matriarchat eine Gesellschaftsordnung verstanden, die vorrangig von Frauen geprägt ist. Es gibt jedoch keine wissenschaftlich allgemein anerkannte Definition des Begriffs Matriarchat.
Seit dem 19. Jahrhundert luden zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen, kulturelle, soziale und religiöse Strömungen den Begriff – oft unter der Bezeichnung „Mutterrecht“ – mit immer wieder anderen Vorstellungen und Inhalten auf und verwendeten ihn in dem jeweiligen historischen und kulturellen Zusammenhang entsprechend ihrer Weltanschauung. Es wurde auch darüber gestritten, ob es sich bei dem Matriarchat um Fakten oder um Wunsch- bzw. Angstbilder handelt. Es ist weitgehender Forschungskonsens, dass „sich das Matriarchat als Mutterherrschaft spiegelbildlich zum Patriarchat historisch nicht nachweisen lässt“.26 / 26 / 57Matriarchat (3)
Weiterlesen...Synonyme für Matriarchat sind die heute kaum mehr verwendeten Begriffe Mutterrecht und Gynäkokratie Diese semantische Gleichsetzung oder Bedeutungsinterpretation wird aber nicht von allen Theorien zum Matriarchat angenommen, sehen sie doch im Matriarchat keine direkte, konträre Herrschaftsform zum Patriarchat. Für matriarchal sind gebräuchlich matriarchalisch oder matrizentrisch. In Abgrenzung dazu beschreiben die ethnosoziologischen Begriffe matrilinear, matrilokal und uxorilokal Abstammungs- und Wohnsitzregeln. Mit Matrifokalität wird in der Ethnologie eine zentrale Rolle von Müttern in matrilinearen, patrilinearen oder anderen Verwandtschaftssystemen bezeichnet.
27 / 27 / 57Matriarchat (4)
Weiterlesen...Geschichte der Matriarchatstheorien
Die Anfänge der Theorien zu Matriarchaten entstammen rechtshistorischen und ethnologischen Beiträgen des 18. und des 19. Jahrhunderts. Der historische Materialismus (aber auch schon Johann Jakob Bachofen) versteht das Matriarchat als eine allgemeine und notwendige Stufe der Gesellschaften der Ur- und Frühgeschichte. Im 20. Jahrhundert gehörten sie zum Bestand marxistisch orientierter Kulturwissenschaften. Dabei wurden auch schwärmerische Elemente mit historischen Tatsachen verbunden, um einen Gegenentwurf zur patriarchalischen Struktur westlicher Industriegesellschaften zu gewinnen. Das Patriarchat wurde weitgehend für soziale Zustände und moralische sowie psychologische Haltungen und Zwänge verantwortlich gemacht und das Matriarchat dabei entweder positiv als utopischer Urzustand der Gesellschaft oder abwertend als rückschrittliche Kulturstufe gedeutet.28 / 28 / 57Matriarchat (6)
Weiterlesen...Die These der Existenz einer allgemeinen vorgeschichtlichen matriarchalen Kulturstufe oder zumindest eines Kults einer Großen Göttin wurde vom Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in der englischen Urgeschichte und Archäologie relativ häufig vertreten. Deutschsprachige Prähistoriker hatten in den 1930er Jahren die Nähe zum Nationalsozialismus gesucht. Ein herausragender Vertreter war Oswald Menghin, der mit seinem Buch Die Weltgeschichte der Steinzeit (1931) die Meinung vertrat, dass vor allem die neolithischen Kulturen durch ein Matriarchat geprägt waren. Als Folge herrschte in Westdeutschland nach 1945 in der Ur- und Frühgeschichte eine dezidierte Zurückhaltung im Bereich Theoriebildung. In der sowjetischen Archäologie machte sich eine marxistische Deutung der Urgeschichte bemerkbar: Die in den 1920er und 30er Jahren entdeckten paläolithischen Venusfiguren galten als Belege für ein urkommunistisches Matriarchat.
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