Herrschafts- und Regierungssysteme
Demarchie
Demarchie (11)
Weiterlesen...1985 – John Burnheim empfiehlt in seinem Werk Is Democracy Possible?, alle Gremien der Staatsgewalt für die Bereiche von Verwaltungen, Politik und Rechtsprechung des Staates so weit wie möglich zu dezentralisieren und die Entscheidungsträger statistisch-repräsentativ mittels Losverfahren zu bestimmen. Eine Möglichkeit wäre, für verschiedene Einzelthemen wie Stadtplanung, Gesundheitswesen, Abfallbeseitigung oder Bildungswesen eigene Entscheidungsgremien zu bilden, je nach Zweck regional oder thematisch. Die Mitglieder werden zufällig aus Freiwilligen ausgewählt, und zwar derart, dass die Zusammensetzung der Bevölkerung nach Geschlecht, ethnischer Herkunft, Alter und dergleichen entspricht. In einem festgelegten Rhythmus werden die Mitglieder durch neue ersetzt. Die Beschlüsse eines solchen Gremiums haben höchste Legitimität, denn die Mitglieder stehen direkt für die Positionen der Bevölkerung. Burnheim beruft sich dabei auf die attische Demokratie.
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Weiterlesen...2013 – Terrill Bouricius, Wissenschaftler und erfahrener Politiker aus Vermont, schlägt in seiner Multi-Body Sortition für die Legislative sechs Gremien in einem System aus Checks and Balances vor, von denen alle bis auf die „Interest Panels“ aus Freiwilligen ausgelost werden. Darin sieht er auch die Lösung des Zielkonflikts um ideale Auswahl, Größe, Amtszeit und Gruppendynamik der Gruppe, die Gesetzgebung wird in Phasen unterteilt. Das „Agenda Council“ legt ausschließlich die Themen der Gesetzgebung fest, in beliebig vielen „Interest Panels“ aus je zwölf selbst gemeldeten Freiwilligen werden die Spezialthemen beraten und Empfehlungen erarbeitet, das „Review Panel“ erstellt daraus die konkreten Gesetzesvorlagen. Die für die Beschlusstagung jeweils neu und verpflichtend ausgeloste „Policy Jury“ soll ein bis mehrere Tage über die Gesetzesvorlagen abstimmen. Zur Sicherstellung dieses Gesamtprozesses entscheidet ein „Rules Council“ über alle Verfahrensregeln und ein „Oversight Council“ kontrolliert den Gesetzgebungsprozess und behandelt Beschwerden.
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Weiterlesen...Verschiedene Stufen der Umsetzung
Terrill Bouricius und David Schecter schlugen 2013 für den Teilaspekt der Legislative fünf konkrete Stufen vor, sich einer Demarchie zu nähern, von kleinen deliberativen Schritten (1. – Aleatorische Deliberation) bis zur Reform, bei der die ausgelosten Bürger über alle Gesetze entscheiden (5. – demarchische Legislative):12 / 12 / 35Demarchie (14)
Weiterlesen...Entwurf eines einzelnen Gesetzes zur Vorlage an Entscheidungsgremium (realisiert z. B. in der British Columbia Citizens‘ Assembly in Kanada, siehe auch Planungszelle und Aleatorische Deliberation)
Entwurf von Gesetzen innerhalb eines Politikbereiches, bevorzugt in einem umstrittenen Bereich, den die gewählten Amtsträger lieber meiden oder in dem sie Interessenskonflikte haben, wie bei den eigenen Wahlgesetzen, Diäten und Amtszeitbeschränkungen (realisiert z. B. in der Convention on the Constitution in Irland)13 / 13 / 35Demarchie (15)
Weiterlesen...Losverfahren als Element einer Initiative oder eines Referendums, einer Volksabstimmung
Etablierung einer ausgelosten Kammer in einem Zweikammersystem der Legislative, als Ersatz für die gewählte Kammer (noch nicht realisiert, siehe Unterabschnitt „Birepräsentative Modelle“)
Etablierung des kompletten Gesetzgebungsprozess durch eine ausgeloste Legislative, als Ersatz für die gewählte Legislative (noch nicht realisiert)14 / 14 / 35Demarchie (16)
Weiterlesen...Demarchie in der Praxis
Nach Burnheim, der den Begriff prägte, müssen in einer Demarchie „die Entscheidungsträger eine repräsentative Auswahl der von den Entscheidungen betroffenen Leute“ sein. Derzeit findet man die Demarchie kaum vor.15 / 15 / 35Demarchie (17)
Weiterlesen...Judikative – Geschworene
In etlichen Ländern werden Laienrichter mittels Losverfahren bestimmt, die gemeinsam mit Berufsrichtern die Gerichtsverhandlung bei Strafverfahren führen, wie in den USA heute wird noch der Oberste Sondergerichtshof, das höchste „Verfassungsgericht“, per Losverfahren aus der Richterschaft bestimmt.16 / 16 / 35Demarchie (18)
Weiterlesen...Bewertung
Zur Auslosung von Repräsentanten gibt es gegenüber dem Wahlverfahren repräsentativer Demokratien Argumente dafür und dagegen:
Argumente dafür
Das Losverfahren ist unbestechlich, effizient und kostengünstig, entlastet die Betroffenen, erzeugt Kreativität und gesellschaftliche Stabilität, zudem wird der politische Wille der gesamten Gesellschaft repräsentativ bei den Entscheidern abgebildet:17 / 17 / 35Demarchie (19)
Weiterlesen...Das Losverfahren ist absolut neutral, fair und verfahrensautonom. Es gibt keine Einflüsse von außen, das Ergebnis steht vorher nicht fest, sondern hängt allein vom Losen ab. So ist keine Umrechnung von Wahlergebnissen auf Sitze nötig, Wahlkreise müssen nicht mehr oder weniger neutral zugeschnitten werden.
Das Losverfahren ist treffsicher, das Ergebnis ist direkt, klar und eindeutig. es ist keine Interpretation nötig.
Das Los ist kostengünstig, es ist wenig Zeit und Aufwand nötig. Der Aufwand der Wahlprozedur wie des vorherigen Wahlkampfes und möglicher „Wahlgeschenke“ fallen ersatzlos weg, ebenso der Aufwand der Wähler, ihre Entscheidung zu treffen.18 / 18 / 35Demarchie (20)
Weiterlesen...Mittels Los werden Entscheider wie Betroffene emotional entlastet. Die Entscheidung, wer jeweils zu den Entscheidern gehört, wurde vom Zufall bestimmt.
Das Los erzeugt Kreativität und produktive Unsicherheit. So optimiert die Biologie mittels Zufall die Artenvielfalt, bei der Bestimmung von Entscheidern kann so Korruption erschwert werden. Bereits heute werden in manchen Ländern Polizeiteams per Los zusammengestellt, einander unbekannte Personen verschiedenster Herkunft, die an einem gemeinsamen Thema arbeiten, haben mehr verschiedene Ansätze zur Lösung. Rücksichtnahmen auf Parteilinien und -karrieren, Darstellung in der Öffentlichkeit und Einfluss durch Lobbyismus werden stark reduziert.19 / 19 / 35