Herrschafts- und Regierungssysteme
Demarchie
Demarchie (1)
Weiterlesen...Die Demarchie (Kunstwort aus altgriechisch δῆμος demos „Volk“ und ἄρχειν archein „Erster sein, herrschen“) ist eine Herrschaft des Volkes, in der alle Entscheidungsträger eines Gemeinwesens repräsentativ aus denjenigen Menschen mittels Losverfahren bestimmt werden, die von diesen Entscheidungen betroffen sind. In Abgrenzung zur Demarchie stehen Verfahren ohne eigene Entscheidungsmacht der ausgelosten Gremien, wie bei der Deliberativen Demokratie oder der Erarbeitung von Vorschlägen durch ein Bürgerforum, Bürgerrat.
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Weiterlesen...Definition der Demarchie
Den Begriff der Demarchie (englisch demarchy
Er kritisiert die bisherige Form moderner Demokratie in den ersten beiden Sätzen seines Werkes: „Demokratie gibt es nicht, wenigstens nicht in der Praxis. Bestenfalls haben wir heute eine Regierungsform, die man in der Antike als Wahloligarchie mit stark monarchistischen Zügen bezeichnet hätte.“1 / 1 / 35Demarchie (3)
Weiterlesen...Nach Burnheim müsse man wie in der Demokratie der Antike zum Verfahren einer Bestimmung der öffentlichen Funktionäre, der Repräsentanten, mittels Losverfahren zurückkehren und auf Wahlen verzichten, Entscheidungsgremien sollten einen „statistisch repräsentativen“ Querschnitt derjenigen abbilden, die von den Entscheidungen betroffen sind,
Weitere verwendete Bezeichnungen für eine Herrschaft des Volkes mit ausgelosten Repräsentanten als Entscheidungsträgern sind die Aleatorische Demokratie (Buchstein,) bzw. Aleatorisch-repräsentative Demokratie (Reybrouck), im Unterschied zur derzeit etablierten Elektoral-repräsentativen Demokratie mittels Wahlen:2 / 2 / 35Demarchie (4)
Weiterlesen...Geschichte der Demarchie
Demarchie in den Demokratietheorien
Über mehr als zweitausend Jahre, bis ins 18. Jahrhundert, wurde die Demokratie als Herrschaft des Volkes gesehen, wenn die politischen Institutionen größtenteils per Losverfahren direkt aus dem Volk hervorgehen. Diese Besetzung der Ämter durch das Losverfahren benannte schon Herodot im fünften Jahrhundert v. Chr. in seiner Verfassungsdebatte als einen der Vorzüge der Isonomie, der Herrschaft der Vielen, der Demokratie. Der griechische Philosoph Aristoteles schrieb vor über 2300 Jahren in seinem Werk Politik zur Besetzung der politischen Institutionen:3 / 3 / 35Demarchie (5)
Weiterlesen...«λέγω δ᾽ οἷον δοκεῖ δημοκρατικὸν μὲν εἶναι τὸ κληρωτὰς εἶναι τὰς ἀρχάς, τὸ δ᾽ αἱρετὰς ὀλιγαρχικόν»
„Es gilt z. B. für demokratisch, daß die Staatsämter durchs Los, für oligarchisch, daß sie durch Wahl besetzt werden“4 / 4 / 35Demarchie (6)
Weiterlesen...– Aristoteles: Auch 1748 noch schrieb Charles Montesquieu zur Bestimmung von Repräsentanten des Volkes:
« Le suffrage par le sort est de la nature de la démocratie; le suffrage par choix est de celle de l’aristocratie. »
„Die Entscheidung durch das Los entspricht dem Wesen der Demokratie, die Entscheidung durch Wahl dem der Aristokratie.“5 / 5 / 35Demarchie (7)
Weiterlesen...Gelebte Demarchie
Die Demarchie, diese Ursprungsform der Demokratie, wurde zeitweise in der antiken Polis in Griechenland praktiziert, vor allem in Athen, unter anderem, um Korruption oder Gewalttätigkeit bei Wahlkämpfen einzudämmen: Stadtverordnete, Richter und die meisten Ämter wurden durch das Los bestimmt. Alle männlichen Freien der Stadt Athen ab Vollendung des 30. Lebensjahres hatten Zugang zur Mitbestimmung in der Regierung, nicht jedoch Frauen, Metöken (Fremde), unter Dreißigjährige und Sklaven. Die Anzahl der Vollbürger betrug etwa 30.000 bis 40.000 Männer, das waren rund 10 % der Gesamtbevölkerung. Bei wichtigen Entscheidungen, z. B. über Krieg und Frieden, mussten mindestens 6.000 anwesend sein.6 / 6 / 35Demarchie (8)
Weiterlesen...Diese antike Urdemokratie wurde von vier Säulen getragen:
der Volksversammlung, der Ekklesia, die 40-mal im Jahr tagte und die wesentlichen Angelegenheiten des öffentlichen Lebens entschied,
der nach regionalen Anteilen (Phylen) aus den Vollbürgern ausgeloste Rat der Fünfhundert (Bule), der die Volksversammlungen vorbereitete und an der Regierung mitwirkte,
den vor allem per Los bestimmten Beamten (Archonten) – den politischen, religiösen, kulturellen und administrativen Führungskräften (nur die wenigen militärischen wurden gewählt), sowie
den per Los bestimmten Laienrichtern der Volksgerichte.7 / 7 / 35Demarchie (9)
Weiterlesen...Im Mittelalter gab es zumindest demarchische Ansätze in Florenz („Imborsazione“, 1328–1530) bei der Besetzung des gesetzgebenden Rates, der Regierung und der Verwaltungskommissare, Aragón übernahm es („Insaculación“, 1350–1715) für Wahlkollegien, lokale Machthaber und nationale Parlamentsmitglieder. König Ferdinand II. sah als Vorteile, dass dieses Losverfahren „in den Ortschaften und Städten eher ein gutes Leben, eine gesunde Verwaltung und Regierung fördern als die Ordnungen, die sich umgekehrt auf die Wahl stützen. Sie sind einiger und gleicher, friedlicher und freier von Leidenschaften.“
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Weiterlesen...Modelle zur Anwendung
Es gab und gibt verschiedene Konzepte zur Realisierung einer Demarchie. Sowohl Volksvertreter in Entscheidungsgremien als auch Amtsträger können per Zufallswahl bestimmt werden. Entscheidungsgremien können dabei entweder für eine Legislaturperiode oder nur für eine bestimmte Entscheidung ausgelost werden. Sie fungieren vollumfänglich als Regierung oder es gibt jeweils Einzelgremien für Bildung, Umwelt, Wirtschaft und die anderen Bereiche. Es könnte eine Pflicht zur Teilnahme am Losverfahren geben oder ob sie könnte auf Freiwilligkeit beruhen.
Folgende Werke stellen Möglichkeiten zur Umsetzung einer Demarchie vor, oder zumindest teilweise Umsetzungen von Regierung und Gesetzgebung durch geloste Volksvertreter.9 / 9 / 35