Herrschafts- und Regierungssysteme
Bürokratie
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Bürokratie (1)
Weiterlesen...Bürokratie (deutsch „Herrschaft der Verwaltung“) ist eine staatliche oder nicht-staatliche Verwaltung, die durch klare Hierarchien, Entscheidungen nach Gesetz und Vorschriften und geplantem Verwaltungshandeln innerhalb festgelegter Kompetenzen gekennzeichnet ist.
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Weiterlesen...Allgemeines
Eine Übersteigerung der Bürokratie wird als Bürokratismus bezeichnet: eine bürokratisch überzogene Handlungsorientierung, welche die Vorschriften über den Menschen stellt und ihn weitgehend als Objekt behandelt. Umgangssprachlich werden Bürokratie und Bürokratismus oft synonym verwendet. Eine weitere Erscheinung ist der Hang zum Bürokratiewachstum, auch als „Bürokratisierung“ bekannt. Bürokratische Strukturen und Verfahren existieren nicht nur in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch in privaten Unternehmen, Kirchen und Non-Profit-Organisationen. Im weitesten alltagssprachlichen Sinne umfasst der Begriff alle mit Schreibarbeit und „Papierkrieg“ befassten nicht-privaten Tätigkeiten, deren Umfang seit den 1940er Jahren weltweit zugenommen hat, um heute wieder leicht abzunehmen.1 / 1 / 18Bürokratie (3)
Weiterlesen...Wortherkunft und Konnotation
Das Wort Bürokratie (französisch bureaucratie) wurde von dem Franzosen Vincent de Gournay (1712–1759) geprägt und bereits kurz danach ins Deutsche übernommen. Das Kunstwort ist zusammengesetzt aus bureau und dem französischen Suffix -cratie, das aus altgriechisch -κράτεια/-κρατία -krateia/-kratia zu κράτος krátos „Herrschaft, Gewalt, Macht“ gebildet wurde. Der Ursprung des Wortes Büro (bzw. französisch bureau „Schreibtisch, Arbeitszimmer“) ist das spätlateinische Wort burra in der Bedeutung „grober Wollstoff, zottiges Gewand“. (Dieses Wort bezog sich später auf den Stoff zum Beziehen von Schreibtischen. Danach wurde es auf den Schreibtisch selbst angewendet und letztlich auch auf den Ort übertragen, an dem sich der Schreibtisch befindet.) Wörtlich bedeutet Bürokratie also „Herrschaft der Verwaltung“, wobei der Arbeitsplatz Büro als Metonymie stellvertretend für die Verwaltung steht, die dort geschieht.2 / 2 / 18Bürokratie (4)
Weiterlesen...Obwohl einige Forscher (u. a. Max Weber) „Bürokratie“ als neutrale Bezeichnung eines soziologischen Phänomens verwenden (vgl. Verwaltungskultur), ist das Wort im allgemeinen Sprachgebrauch praktisch ausschließlich negativ behaftet. Der Ökonom Ludwig von Mises schrieb dazu bereits im Jahr 1944:
Bürokratie wird oft mit dem Beamtentum der öffentlichen Verwaltung assoziiert, wobei ein überaus formular-, vordruck- und vorschriftenreicher Zustand der Organisation als Folge der Gestaltung der Organisationsstruktur vorliegt, der mehr Personal und Organisationsmittel bindet als ökonomisch optimal wäre (Überorganisation). Aber auch in Ländern, in denen kein Berufsbeamtentum wie in Deutschland existiert, wird Bürokratie oft mit dem öffentlichen Sektor der Gesellschaft gleichgesetzt (public administration, public management oder public service).3 / 3 / 18Bürokratie (5)
Weiterlesen...Definition nach Meyers Konversationslexikon von 1894
Meyers Konversationslexikon definierte 1894 „Büreaukratie“ folgendermaßen: „Büreaukratie (franz.-griech., „Schreibstubenherrschaft“), Bezeichnung für eine kurzsichtige und engherzige Beamtenwirtschaft, welcher das Verständnis für die praktischen Bedürfnisse des Volkes gebricht. Auch eine solche Beamtenschaft und ihre Angehörigen nennt man Büreaukratie. Der Boden der Büreaukratie ist der Absolutismus. Das bürokratische Regiment kennzeichnet die Zeit des Polizeistaates, der polizeilichen Bevormundung des Volkes während des 19. Jahrhunderts. Die Begründung der konstitutionellen Regierungsform, das freie Vereins- und Versammlungsrecht, die Bedeutung der Presse für die öffentliche Erörterung der Staatsangelegenheiten, die Anerkennung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und höheren Gemeindeverbände sind Momente, welche ein bürokratisches Regiment in der Gegenwart ausschließen. Die Ausdrücke Büreaukratie und Büreaukratismus werden auch als gleichbedeutend mit der Bezeichnung ‚büreaukratisches System‘ gebraucht.“4 / 4 / 18Bürokratie (6)
Weiterlesen...Bürokratie bei Max Weber
Der Soziologe Max Weber hat sie als die „rationale“ Form der „legalen Herrschaft“, auch für Unternehmen, bezeichnet und analysiert. Seine Bürokratietheorie (auch Bürokratieansatz genannt) zählt zu den klassischen Organisationstheorien und wird von Weber in seinem 1922 postum erschienenen Werk Wirtschaft und Gesellschaft als Erscheinungsform des Rationalisierungsprozesses behandelt.5 / 5 / 18Bürokratie (7)
Weiterlesen...Als Idealtypus der Bürokratie sieht Weber die Behörde mit beruflichem Verwaltungsstab an. Die Legitimation der bürokratischen (legalen) Herrschaft liegt in der rationalen Kompetenz des Vorgesetzten, nicht in ihrer traditionalen Kompetenz (wie z. B. bei Erbämtern in einer Monarchie). Sein dritter Herrschaftstypus, die „charismatische Herrschaft“, kommt idealtypischerweise ohne Bürokratie aus. Alle drei Herrschaftsformen sind jedoch Formen „legitimer Macht“. Im Gegensatz zur traditionalen und charismatischen Herrschaft verhindere die Bürokratie die Bevorzugung oder Benachteiligung Einzelner in Form von willkürlichen Entscheidungen, weil sich alle an die gleichen und rational begründeten Spielregeln bzw. Gesetze (eine gesetzte Ordnung) halten sollen. Der Bürokratiebegriff Webers ist somit positiv. Im strengen Sinne ist also nach Weber eine nach z. B. rein politischen Erwägungen arbeitende Verwaltung (etwa die „Kaderverwaltung“ im ehemaligen Sowjetsystem) gar keine „Bürokratie“. Auch Wahlbeamte, wie sie in den meisten deutschen Bundesländern an der Spitze von Behörden wie Landratsämtern und Gemeindeverwaltungen stehen, sind mit Webers Bürokratieverständnis nicht kompatibel.
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Weiterlesen...Max Weber definierte unter anderem folgende Bürokratiemerkmale:
Trennung von Amt und Person
Regelgebundenheit
„Unpersönlichkeit“ bzw. Neutralität des Verwaltungshandelns
Hierarchieprinzip
Schriftlichkeit und Aktenkundigkeit der Verwaltung
Arbeitsteilung und Professionalität7 / 7 / 18Bürokratie (9)
Weiterlesen...Neuere Bürokratietheorien
Peter Blau unterzog die Weber’sche These der gleichsam mechanisch arbeitenden Bürokratie einer empirischen Überprüfung und kam zu dem Schluss, dass reale Organisationen nicht ohne informelle Interaktionskanäle und sozio-emotionalen Austausch ihrer Mitglieder funktionieren können. Er untersuchte auch die Prozesse der funktionalen und vertikalen Ausdifferenzierung von Organisationen mit zunehmendem Größenwachstum, die mit einem Anstieg reiner Koordinationsarbeit verbunden sind.8 / 8 / 18Bürokratie (10)
Weiterlesen...Eines der einflussreichsten Bücher zum Thema Bürokratie und Management war The Organization Man von William H. Whyte (1956). Whyte vertritt die These, dass die in den USA als Folge der Großen Depression in den 1930er Jahren verbreitete Armut und der militärische Drill vieler Menschen während des Zweiten Weltkrieges die Bereitschaft zum Konformismus gefördert habe: Sie sahen Großunternehmen als Quelle von dauerhafter Beschäftigung, Wohlstand und Sicherheit an und ließen sich bereitwillig in Bürokratien eingliedern. Daher prognostizierte er, dass die Gesellschaft künftig von großen bürokratischen Organisationen beherrscht würde, und kritisierte den dadurch drohenden Verlust von Individualität und Kreativität. Er beobachtete auch, dass dieses System dazu führe, risikoscheue Manager herauszubilden, die ihr Leben lang auf ihren Positionen verharren würden, wenn sie keine eklatanten Fehler begingen.
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